Mein Kind hat eine „Beule in der Leiste“

… was tun bei einem Leistenbruch?

Ein Leistenbruch ist eine der häufigsten chirurgischen Erkrankungen im Kindesalter, bei etwa 1-5 % der Neugeborenen und sogar 9-11% der Frühgeborenen tritt dieser auf und zeigt sich meistens im ersten Lebensjahr. Dabei sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen (etwa 3 bis 10 mal so oft). Meist fällt irgendwann plötzlich eine Schwellung in der Leiste oder beim Jungen ein einseitig vergrößerter Hodensack auf. Oft spüren die Kinder gar keine oder nur leichte Schmerzen oder gelegentlich ein Ziehen in der Leiste. Berührt man diese „Beule“, ist sie weich und es kann auch sein, dass diese vorübergehend von selbst wieder verschwindet, von einem Arzt/Ärztin kann sie gezielt zurückgedrückt werden. 

Ein echter Notfall liegt dann vor, wenn die Kinder plötzlich starke Schmerzen haben (bei Säuglingen kann dies durch Schreien, Trinkverweigerung, Teilnahmslosigkeit oder Erbrechen auffallen) und eine feste, nicht wegdrückbare Schwellung in der Leiste oder am Hodensack auffällt. Dann muss eine sofortige Vorstellung in einer Kinderklinik bzw. Kindernotaufnahme erfolgen.

Woher kommt das? Kann man das verhindern?
Bei Erwachsenen ist oft ein schwaches Bindegewebe und/ oder zu hohe Belastung (z.B. schweres Heben) die Ursache dafür, dass der „Bruch“, also eine neu aufgetretene Lücke entsteht, durch die ein Teil des Darmes aus dem Bauchraum in die Leiste austreten kann.
Bei Kindern ist die Ursache allerdings fast immer eine andere. Der Leistenbruch tritt über eine noch vorhandene Lücke zwischen Bauchraum und Leiste aus.  Im Laufe der Entwicklung des Babys ist die Verbindung zwischen Bauchraum und Leiste zunächst nicht verschlossen, da über diesen Weg der Hoden vom Bauch in den Hodensack absteigt bzw. bei den Mädchen das Mutterband (Befestigung der Gebärmutter) verläuft. Im Weiteren schließt sich diese Lücke dann aber normalerweise von allein. Bei den Mädchen meist schon vor der Geburt, bei den Jungen meistens in den ersten 6 Lebensmonaten. Geschieht dies allerdings nicht, bleibt eine kleine Öffnung.

Stark vereinfachte Schemazeichnung eines Leistenbruches bei einem Jungen: Leistenbruch rechts mit Darmschlinge im Hodensack (blau = Bauchfell/Bruchsack, rosa = Dünndarm, grau = Hoden und Nebenhoden mit Blutgefäßen und Samenleiter), linke Seite = Normalzustand.

Dies kann man sich wie eine Tür vorstellen die nur angelehnt und nicht verschlossen ist, bei der ein Windhauch ausreichen kann, um sie zu öffnen und hindurchzugehen.

Es kann dann jederzeit dazu kommen, dass über diese offen gebliebene Verbindung Bauchinhalt (meistens Darmanteile) aus dem Bauchraum in Richtung Leiste bis zu Schamlippen oder Hodensack austritt und dort als weiche Schwellung (sog. Leistenbruch) auffällt. 

Befindet sich nur Flüssigkeit aus der Bauchhöhle und kein Darm in dem Leistenkanal und sammelt sich im Hodensack, spricht man auch von einem „Wasserbruch“, welcher häufig keine Operation erforderlich macht.

Bei einer schmerzlosen Schwellung in der Leiste, auch wenn diese möglicherwiese von allein wieder verschwindet, sollte das Kind innerhalb der nächsten Tage beim Kinderarzt oder direkt bei einem Kinderchirurgen/In vorgestellt werden. Dort erfolgt eine gründliche Untersuchung und gegebenenfalls auch Ultraschall um den „echten“ Leistenbruch von einem Wasserbruch zu unterscheiden. Da sich diese bestehende Lücke beim Leistenbruch nicht von allein verschließt, sondern in der Regel größer wird, ist es erforderlich möglichst bald eine Operation durchzuführen, um einem Notfall (Einklemmen) und Folgeschäden vorzubeugen.

Worauf muss man achten?
Wenn das Kind plötzlich starke Schmerzen in der Leiste oder im Hodensack verspürt und Sie vielleicht sogar eine feste Schwellung („Beule“) tasten, dann müssen Sie unverzüglich eine Kinderklinik bzw. Kindernotaufnahme aufsuchen.
Dann kann es sein, dass Darm (oder seltener Eierstock oder Hoden) in der Leiste „eingeklemmt“ (inkarzeriert) ist und nicht mehr zurück in den Bauchraum kann/können. Durch den Druck und zunehmende Schwellung kommt es dann zu einer ernsthaften Durchblutungsstörung des Gewebes und schlimmstenfalls zum dauerhaften Schaden. Reagiert man allerdings rechtzeitig, kann in der Regel durch eine zeitnahe Operation ein bleibender Schaden verhindert werden und sich das Gewebe vollständig erholen.
Wie wird operiert?
Dank der speziell auf Kinder angepassten Narkose und der schonenden Operationsmethode kann man einen Leistenbruch bei Kindern meist als ambulante Operation z.B. in einer kinderchirurgischen Praxis durchführen lassen. Bei sehr kleinen Kindern (unter 6 Monaten) oder Kindern mit schweren Vorerkrankungen wird allerdings die Operation und eine postoperative Überwachung für mindestens eine Nacht in einer Klinik empfohlen.
Eine Operation ist für das Kind und die Eltern meist sehr aufregend, manchmal auch belastend und man würde es dem Kind und seinen Eltern am liebsten ersparen. Als Kinderchirurg/Innen sind wir uns dessen bewusst und nehmen uns daher ausreichend Zeit, die Operation gründlich zu erklären und Ihnen Ihre Fragen zu beantworten. 
Da ein Leistenbruch allerdings nicht von allein wieder verschwindet und die Gefahr ernsthafter Komplikationen bei einem „eingeklemmten“ Leistenbruch besteht, ist eine Operation leider unumgänglich. Natürlich gibt es bei jeder Operation auch Risiken, allerdings sind diese bei einer geplanten Operation immer geringer als in einer Notfallsituation. Es ist deshalb das Ziel, die Operation so stressfrei, sicher und schonend wie möglich durchzuführen.
Dabei erhalten die Kinder eine kurze Vollnarkose. In der Operation wird über einen kleinen Schnitt in der Leiste die offene Lücke bzw. der Bruchsack verschlossen und entfernt. Es werden Fäden verwendet, die nicht entfernt werden müssen, da sie sich von selbst auflösen.
Das Kind kann, wenn es nach der Operation wieder vollständig wach ist und gegessen hat, nach Hause gehen und sich dort in Ruhe von der Aufregung erholen. Größere Kinder können schon ein paar Tage nach der Operation Kindergarten oder Schule besuchen. Starke körperliche Anstrengungen (Sport, Klettern, Trampolin etc.) sollten noch für etwa 2 Wochen vermieden werden.

Anna Bacia

Fachärztin für Kinderchirurgie, ‚Zusatzbezeichung spezielle
Kinder- und Jugendurologie, zertifizierte Kinderschutzmedizinerin, bisher als Oberärztin in der Kinderchirugie UKSH, ab 01.01.2023 angestellt in der Kinderchirurgischen Praxis am Holstentor (verheiratet, 2 Kinder)

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