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Farbe und Gefühl – Lüttbecker – das Familienmagazin für Lübeck und Umgebung

Farbe und Gefühl

Mathias Seeliger, Dipl.-Kunsttherapeut und systemischer Therapeut, arbeitet seit vielen Jahren in der Psychosomatik und der Tagesklinik für chronisch kranke Kinder der Klinik für Kinder- und Jugendlichenmedizin am UKSH sowie in einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Praxis in Lübeck. Er gibt uns hier Einblicke in die Kunsttherapie

Wer – wie ich – mit künstlerischen Mitteln mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, wird den Gedanken nicht erstaunlich finden, dass gerade Farbe eine große Verwandtschaft zu Gefühlen und Empfindungen hat. Lieblingsfarben sind ein großes Thema, aber auch eindeutig ablehnende Bezeichnungen, wie „Kotzgrün“ und „Ekelgelb“ werden mit Begeisterung vertreten.

Im kunsttherapeutischen Arbeiten wird diese Verwandtschaft von Farben und Gefühlen benutzt, um eine Reflektion der inneren Empfindungen zu ermöglichen. Gefühle, Stimmungen und Empfindungen sind nur sehr begrenzt dem menschlichen Denken zugänglich. Unsere Begriffe für das, was wir fühlen, werden vermutlich sehr früh in der kindlichen Entwicklung gebildet, indem sie von außen an uns herangetragen werden. „Du bist traurig“, „jetzt freust du dich“, „warum bist du denn so wütend“ benennt das, was außen von unserem inneren Erleben sichtbar wird. Dass wir uns dabei einigen können, worüber wir sprechen, wenn wir über Gefühle und Empfindungen reden, erstaunt mich immer wieder. Es würde mir ungeheuer schwerfallen, jemandem, der den Begriff der Traurigkeit nicht kennt, zu erklären, wie es mir geht, wenn ich traurig bin.

Pauline, 16 Jahre, hat dieses Bild während der Therapie gemalt und es „Wärme“ genannt.

Gefühle im Künstlerischen auszudrücken, ist auch nicht unbedingt einfacher, mit den künstlerischen Mitteln steht uns aber noch eine andere Form der Sprache zur Verfügung. In der Kunsttherapie geht es dabei überhaupt nicht um Kriterien, wie richtig oder falsch, sondern darum überhaupt zu versuchen, ein Bild zu finden und das, was wir innerlich spüren, nach außen zu bringen, wo es dann der eigenen Reflektion ganz anders zur Verfügung steht. Entsprechend erleben wir auch beim Betrachten von Kunst, dass uns vor allem die Werke ansprechen, die Resonanz in unserer inneren Empfindungswelt erzeugen.

Von den menschlichen Kulturtechniken ist die Kunst diejenige, in der sich die individuelle Freiheit am deutlichsten verwirklichen kann. Durch eine Erkrankung wird der Mensch entindividualisiert, er wird in einen Krankheitstypus hineingezwungen. Die Entdeckung der eigenen Individualität und Kreativität ist ein entscheidendes Ziel des kunsttherapeutischen Prozesses. Der therapeutische Prozess ist als Entwicklungsweg Ziel der Therapie, nicht das einzelne Kunstwerk. Im klinischen Zusammenhang mit der oftmals intensiven Auseinandersetzung mit und Reflektion von Schwierigkeiten und Problemen, kann die Kunsttherapie als explizit nonverbale und nicht-Problem-orientierte Therapieform eine gute Ergänzung, bzw. einen Ausgleich darstellen.

Kunsttherapie hat verschiedene Wirkebenen

Auf der Materialebene geht es um den Ausgleich zwischen den Polen Form und Bewegung. So, wie es beim Nass-in-nass-Aquarell um Lösendes, Entspannendes und In-Bewegung-bringen geht, geht es zum Beispiel beim Arbeiten mit Ton um das Formen und Gestalten einer ursprünglich chaotischen Masse. Gesundheit wird hier als Ausgleich von Einseitigkeiten verstanden. Das gegenständliche Zeichnen dient dem Training und der Erweiterung der eigenen Wahrnehmung. Genaues Hinschauen und der Versuch einer exakten Umsetzung erhöhen den Realitätsbezug und ordnen das Denken. Bei jeder Technik geht es auch immer um Komposition, d.h., um das Zusammenfügen verschiedener Elemente im „richtigen“ oder „passenden“ Verhältnis zu einem stimmigen Ganzen, was im Grunde häufig den Anforderungen entspricht, vor denen unsere Patienten auch im Alltag stehen.

Inhaltlich kann es darum gehen, „sich ein Bild zu machen“, von der eigenen Situation, von Zielen und Wünschen. Die große Verwandtschaft von Farben und Stimmungen können für eine Auseinandersetzung mit eigenen Emotionen genutzt werden. Grundsätzlich soll für alle Patienten ein Erfolgserlebnis möglich sein, um jeweils das Wahrnehmen von eigenen Ressourcen und Fähigkeiten zu verstärken. Jedes künstlerische Gestalten erfordert Auseinandersetzungen mit Fragen der Proportion, der Beziehung von Einzelteilen und der Herstellung von Einheit. Metamorphosen einzelner Arbeiten, die einen Zusammenhang haben und Verwandlungen und Veränderungen sichtbar machen, sollen das eigene Veränderungspotential stärken. Neben den therapeutischen Aspekten darf der Umgang mit Kunst auch einfach Spaß machen.

Auch wenn die Kunsttherapie inzwischen etablierter Teil der Behandlung ist, gibt es immer noch künstlerische Bereiche wie Theater- und Musikprojekte, die nur spendenfinanziert möglich sind. Aus diesem Grund wurde der Förderverein Insel KinderSeelenNot, Lübeck e.V. gegründet, der für jede Spende dankbar ist. Spendenkonto bei der Volksbank Lübeck, IBAN: DE 6123 0901 4200 5007 0916

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