Welche Auswirkungen hat die Nutzung von digitalen Medien auf die Hirnentwicklung unserer Kinder?
Zu diesem Thema trafen sich am 18.8. Pädagogen und Eltern in den Räumen von Kinderwege. Die Hirnforschung gibt auf diese Frage erstaunliche, bislang wenig beachtete und alarmierende Antworten, die es unbedingt wert sind, breit debattiert zu werden. Die Neurobiologin Frau Prof. Teuchert-Noodt aus Kiel, die 25 Jahre lang an der Universität Bielefeld Hirnforschung betrieben hat, kam zu einem Vortrag nach Lübeck und zeigte ihren Film, in dem sie ihr Lebenswerk zusammengefasst hat. Eine spannende Diskussion folgte.
Ihr Statement
Nur durch körperliche Bewegung und analoges Lernen werden die für raum-zeitliche Verknüpfung von Nervennetzen benötigten Synapsen im Gehirn geformt. Kinder brauchen Bewegung, sie müssen klettern, purzeln, balancieren: Sie brauchen viel Bewegung in freier Natur. Sie müssen räumlich Tiere und Natur erleben und ebenso räumlich erfahren, wie Dinge funktionieren.
Der Film
Durch die Übererregung der aufgenommenen Impulse digitaler Medien entsteht in dem Hirnareal, das die Reize verarbeitet, ein Kreislauf, den Frau Teuchert-Noodt mit einer Turboreaktion vergleicht. Das Belohnungssystem dieses Hirnareals, das natürlicherweise besteht, wird überfordert. Dopamin und Opiate werden vermehrt ausgeschüttet und eine Suchtgefahr entsteht.
Die wichtigste Aussage ihrer Hirnforschung ist aber Folgende: Vermehrter Konsum digitaler Medien blockiert die Dopaminzufuhr ins Stirnhirn! Die Reifung des Stirnhirns braucht Dopamin, um dort Nervennetze zu erzeugen. Gewisse Nervenzellen im Stirnhirn des Kindes werden hierdurch unvollständig ausgebildet! Eine alarmierende Aussage. Können wir uns ausmalen, was dies für die Entwicklung unserer Kinder bedeutet?
Das Stirnhirn ist das, was uns evolutionär vom Neandertaler unterscheidet. Es befähigt den Menschen für das bewusst eigenständige Denken und ist die Grundlage für Entstehung von Kulturen. Es befähigt uns zum Langzeitgedächtnis, freien Willen, historischen und sozialen Bewusstsein. Es braucht tatsächlich 18 Jahre, um vollständig entwickelt zu sein.
Im Film berichtet die Diplompsychologin Angelika Schlothmann von einer Pilotstudie mit Grundschülern im Alter von 9 Jahren, in der die Schüler die Aufgabe hatten, Wörter in vorgegebenen Kästchen zu schreiben. Das Ergebnis wurde abgeglichen mit der Intensität des Medienkonsums. Die Studie zeigt als signifikantes Ergebnis: Je intensiver die Handynutzug ist, desto schlechter ist die Stirnhirnkompetenz, die kognitive raum-zeitliche Verrechnung von Informationen. Weiterführende Studien und Langzeitstudien seien dringend notwendig, so Frau Schlothmann. Wenn es sich bewahrheitet, dass Handynutzung derartige Wirkung auf die Stirnhirnkompetenz hat, müsse gehandelt werden, es gehe um unsere Kinder.
Wie gehe ich im Alltag mit Einsatz von digitalen Medien mit meinen Kindern um? Welche Bedeutung hat die Erkenntnis der Hirnforschung für die Einführung von digitalen Medien in KiTa und Grundschule? Wie bereiten wir unsere Kinder am besten auf ein Leben im digitalen Zeitalter vor?
Die Antwort von Frau Teuchert-Noodt: So wenig digitale Medien wie möglich. Auch geringer Konsum digitaler Medien kann schon Suchtgefahr erzeugen. Die beste Voraussetzung für die Intelligenz des Kindes und echte Medienkompetenz im Jugend- und Erwachsenenalter sind reale Erfahrungen, begleitet von liebevollen und aufmerksamen Eltern und Pädagogen.