Teil 3 der Serie „Heilung unserer Probleme“
Dieser dritte Teil unserer Serie im Lüttbecker befasst sich mit einem Thema, welches immer mehr hinterfragt und diskutiert wird, und dennoch immer noch viel zu wenig reformiert wird. Die Entwicklung unseres Schulsystems läuft absolut zäh und schwerfällig, statt innovativ und konstruktiv. Warum tun wir uns in Deutschland damit so schwer? Weil so viele noch in diesen alten Strukturen und Machtspielen leben und das Spielfeld Schule dafür benutzen. Solange es Menschen gibt, die sich klein machen lassen und nicht in ihre Eigenverantwortung gehen und es andere gibt, die gerne ihre Macht ausspielen, wird es auch Systeme geben, die das ermöglichen.
Ich möchte in der Zeit ein bisschen ausholen und über die frühere Funktion der Schule erzählen. Damals wurde die Schule auch zur Züchtigung und Erziehung der Kinder genutzt und den Lehrern wurde von den Eltern gerne erlaubt, die Erziehung auch auf gewaltsame Weise zu übernehmen. Sie waren der Meinung, dass Lehrer dafür ja schließlich ausgebildet seien und wissen, was für ihre Kinder das Beste ist. Diese Geschichte tragen wir immer noch in uns. Auch wenn die meisten glauben, dass es heute viel besser ist, so muss ich da leider enttäuschen. Die Einstellung der Eltern, dass Lehrer gerne die Erziehung übernehmen können und dafür schließlich ausgebildet sind, ist noch weit verbreitet und auch die Gewalt findet heute noch statt, aber sie wird auf subtilere Art und Weise ausgeführt. Die Gefühle von Angst vor Bestrafung und die Ohnmacht des Ausgeliefertseins fühlt sich ähnlich wie Missbrauch an, da wir den Lehrern, wie heute zum Teil auch noch, ausgeliefert sind. Unser System reagiert in dem Moment dann so stark auf die Situation im Unterricht, obwohl keine körperliche Züchtigung mehr droht, aber die Angst ist trotzdem da. Genauso die Scham vor Verurteilung und Demütigung hat ihren Ursprung in unserer Geschichte und zeigt sich heute bei vielen in Form von Lampenfieber, das fast an Todesangst erinnert. Auch ein Referat vor der Klasse in der heutigen Zeit, lässt einige gefühlt an Folter erinnern.
Was findet da zwischen Lehrern und Schülern statt?
Erst einmal ist zu sagen, dass Lehrer auch einmal Schüler waren und wer den ersten Artikel aus dieser Serie im Lüttbecker gelesen hat weiß vielleicht noch, dass wir so lange unsere eigenen erfahrenen Schmerzen wie Angst, Demütigungen, Trauer oder Frust auf andere Menschen übertragen, bis wir uns selbst diesem Schmerz in uns stellen und der Kreislauf endlich aufhören kann.
Der Mensch wechselt dann vom damals selbst unterdrücktem Opfer, zu demjenigen, der dann Macht ausüben kann. Natürlich erhalten diese Lehrer dann wiederum die Wut und Ablehnung der Schüler zurück, was das Miteinander und die Atmosphäre vergiftet und letztendlich alle Beteiligten darunter leiden. Natürlich gibt es auch Lehrer, die selbst nie aus der Opfernummer rausgekommen sind und regelrecht zum Fressen der Schüler werden.
Letztendlich dreht es sich immer um das eine Prinzip: „Wir ziehen genau das an, was wir brauchen, um uns weiterzuentwickeln. Schüler wie Lehrer.“ Das heißt, wenn ein Lehrer auf Schüler trifft, die den Lehrer mobben, spiegeln die Schüler dem Lehrer seine eigenen unterdrückten Ängste und seinen Selbsthass, dass er sich nicht durchsetzen kann. Dieses Gefühl hat sich allerdings schon längst im Lehrer befunden und stammt aus einer früheren Prägung und Erfahrung. Der Lehrer wird unbewusst seine Wut auf die Schüler projizieren und sie bestrafen, fühlt sich dadurch aber im Unterbewusstsein nicht wirklich stärker, da sein Unterbewusstsein weiß, dass die Ursache seine eigene Schwäche war. Solange er sich also seine eigene Schwäche nicht eingesteht und die Ursache seiner Angst löst, wird es immer wieder eine nächste Situation geben, die ihm das widerspiegelt. Im Klartext, die Schüler spiegeln den Lehrern ihre eigenen Themen, wie Ohnmacht und Angst und dieses Spiel findet dann im Klassenzimmer unbewusst statt.
Welche alten Schulzeit-Prägungen projizieren Eltern auf die eigenen Kinder?
Ich habe es so oft erlebt, dass Eltern zu mir kommen, da sie keine Schule für das Kind finden, die sie als gut empfinden. An jeder Schule gibt es etwas, womit das Kind nicht klar kommt. Wenn ich dann nachfrage, welche Erfahrungen die Eltern selbst in ihrer Schulzeit gemacht haben, stellt sich oft heraus, dass die Eltern selbst auch schon heftige Probleme hatten, für die sie bis heute die Schule verantwortlich machen. Das ist natürlich auch das Einfachste. Die Schule hat auch den Eltern nur gespiegelt, was sie in sich selbst noch nicht gelöst haben. Angst vor Verurteilung und Bestrafung, Angst ausgegrenzt zu werden…
Ich kann nur allen Eltern empfehlen, dass sie versuchen sollten, ihrem Kind zuzutrauen eigene Erfahrungen machen zu dürfen. Auch wenn es manchmal schwer ist, dem Kind Gegenwind zuzumuten, ist es dennoch unglaublich wichtig und stärkend für das Kind. Geben Sie Motivation und positive Gedanken in die Schulzeit und Schule ihres Kindes. Ihr Kind wird dieses Vertrauen in Ihnen spüren und die Ablehnung, die Sie selbst vorher in sich gespürt haben, kann auch in dem Kind weniger werden. „Kinder orientieren sich immer an den Eltern, denen sie vertrauen, ob etwas gut oder schlecht ist.“
Mobbing unter den Kindern
Auch hier ist es immer das Prinzip: „Was wir aussenden, bekommen auch leider die Kinder zurück.“ Wenn ein Kind innerlich die Aggression und Ängste von Eltern oder sich selbst in sich unterdrückt und versucht es zu verstecken, werden sie oft im Außen gespiegelt. Das Kind wird so lange provoziert, bis es sich endlich innerlich stark macht. Die anderen Kinder dienen dem Kind wie Motivationstrainer die sagen, fang an für dich zu kämpfen und dich aufzurichten. Das hat nichts mit Aggression zu tun, sondern mit innerer Stärke und Vertrauen, die man ausstrahlt. Das Kind, welches also immer wieder provoziert wird, hat nun die Möglichkeit, sich seinen versteckten Ängsten und der inneren Wut zu stellen. In unseren Lerngruppen für Jugendliche benutzen wir Kissen oder einen Boxsack. Das geht auch gut Zuhause. Sport ist für manche Kinder ebenfalls eine gute Möglichkeit um Selbstbewusstsein aufzubauen und den Frust abzulassen. Die neue innere Stärke und das Selbstbewusstsein ist das, was die anderen Schüler wahrnehmen, die sich dann meistens ein neues Opfer suchen.
Was können Eltern tun, damit ihr Kind selbstbewusster wird?
Die Einstellung zu Herausforderungen ist ein wichtiger Punkt. Wir haben immer die Wahl, uns unseren Herausforderungen und Ängsten zu stellen oder einfach noch etwas zu warten, bis wir den Mut haben und es später noch einmal versuchen. Es muss nicht immer der erste Anlauf sein, aber es sollte nicht zu einer Lebenseinstellung werden, dass beim kleinsten Widerstand eine neue Lösung her muss. Das Leben ist ohne Herausforderungen und die Möglichkeiten, auch mal über innere Grenzen zu gehen, nicht lebendig, denn nur so haben wir die Möglichkeit uns weiterzuentwickeln.
Grundsätzlich erleben Kinder in der Schule oft das, was die Eltern als Basis schaffen. Sind Eltern im Vertrauen und glauben an das Kind, trauen dem Kind zu, auch eigene Erfahrungen und Fehler zu machen oder wollen sie es kontrollieren und immer vor allem beschützen? Übernehmen die Eltern für ihre eigenen Schwächen und Ängste die Verantwortung oder geben sie anderen die Schuld an ihrer Lage? Sprechen Eltern mit dem Kind offen und klar über Situationen oder machen sie Vorwürfe und drohen dem Kind, um es dahin zu erziehen, wo es sich hin entwickeln soll? „Sind die Eltern klar und im Vertrauen, sind es auch die Kinder.“
Was können Lehrer für eine gesunde Atmosphäre im Klassenzimmer tun?
Lehrer sollten immer offen sein, von ihren Schülern zu lernen, um sich selbst auch weiterzuentwickeln. In meinen Ausbildungen und offenen Lerngruppen können sich Lehrer immer wieder selbstreflektieren und ihre Themen lösen. Was will mir vielleicht ein bestimmter Konflikt mit einem Schüler oder den Eltern spiegeln? Wie wirke ich im allgemeinen auf die Klasse? Freue ich mich auf den Unterricht? Was gebe ich für Erwartungen und Gefühle schon vor Beginn des Unterrichts in das Feld? Wie muss ich mit meinen Schülern umgehen, damit sie mich respektieren?
Die Zukunft der Schule
Wir können die Schulsysteme nicht alle auf einmal ändern. Wir können aber in uns selbst die Ängste lösen, die dieses Schulsystem noch aufrecht erhält und irgendwann kann sich das Schulsystem dann aus sich selbst heraus verändern, da Schüler, wie Lehrer anders miteinander umgehen. Sicherlich werden auch mehr Sport, Kunst, Musik, Bewusstseinslehre, Natur, Nachhaltigkeit immer stärker in den Unterricht mit einfließen. Der Unterricht wird offener und nach Begabung und Interessen gestaltet werden. Bewegung und lebendiger Unterricht und Pausen mit kleinen Bewegungseinheiten werden selbstverständlich sein. Lassen Sie uns gemeinsam bei uns selbst anfangen, um die Zukunft für unsere Kinder und Enkelkinder zu verändern.
Es grüßt Sie ganz herzlich, Pamela Bessel