Kreidezähnebei Kindern
Gelbe oder bräunliche Verfärbungen, raue Oberflächen, Furchen und Empfindlichkeiten auf Berührung und Temperatur – ein Anzeichen für Kreidezähne? Wenn die ersten bleibenden Backenzähne (Sechs-Jahr-Molaren) durchbrechen und die Schneidezähne wechseln, kann es passieren, dass Kindern oder ihren Eltern diese Merkmale auffallen. Bei 28 Prozent der Zwölfjährigen wird heutzutage diese Diagnose gestellt (Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie 2016).
Der Grad der Ausprägung kann ganz unterschiedlich sein: leichte Verfärbungen bis hin zu bröckelnd brechendem Zahnschmelz können auftreten. Daher spricht man auch von Kreidezähnen. In der Zahnmedizin heißt die Diagnose „Molaren-Incisiven-Hypomineralisation“- kurz „MIH“. Dies bedeutet, dass an den Schneide- und den großen Backenzähne Fehlbildungen des Zahnschmelzes auffallen. Im Frontzahnbereich führt dies häufig zu einer ästhetischen Beeinträchtigung, wohingegen die Sechs-Jahr-Molaren durch die Kaufunktion eher von Schmelzeinbrüchen betroffen sind.
Zuerst beschrieben wurde dieses Phänomen 1987. Es ist fraglich, ob es tatsächlich erst dann aufgetreten ist oder vorher nur nicht diagnostiziert wurde. Ein Rückgang der Karieserkrankungen in den letzten Jahrzehnten und eine Zunahme der MIH könnten auch dafür sprechen, dass die Diagnosestellung im kariesfreien Gebiss einfacher ist. Nichtsdestotrotz fällt auf, dass sowohl eine Zunahme der Anzahl der Fälle als auch eine Zunahme der Schwere der Fälle zu verzeichnen ist.
Woher kommt also dieser Anstieg in der Häufigkeit und der Intensität? Die Ursache ist unklar. Der Entstehungszeitpunkt der MIH liegt etwa zwischen dem 8. Schwangerschaftsmonat und dem 4. Lebensjahr. Zu dieser Zeit wird der Zahnschmelz der betroffenen Zähne gebildet. Die Veränderung fällt jedoch erst bei Zahndurchbruch auf, im Röntgenbild kann man die Diagnose nicht stellen.
Es könnte einen Zusammenhang zwischen einer reduzierten Vitamin-D-Aufnahme und MIH geben, aber auch Bisphenol A (BPA) könnte verursachend sein. Unsere Kinder werden sehr gut vor Sonneneinstrahlung geschützt, sodass nur noch wenig natürliches Vitamin D produziert werden kann. BPA ist Bestandteil von Weichmachern, beispielsweise in Trinkflaschen aus Plastik, zu finden. Eine bekannte Ursache ist die Gabe von bestimmten Antibiotika zum Entstehungszeitpunkt. Letztendlich kann man den Grund nie genau bestimmen und so ist es schwierig, präventiv tätig zu werden. Wichtig ist, dass Kinder zu einer guten Mundhygiene herangeführt werden und dass regelmäßige Zahnarztbesuche zur Gewohnheit werden, damit die kleinen Patienten keine Angst davor haben.
Beruhigend hingegen ist, dass nur ein kleiner Teil der von MIH betroffenen Zwölfjährigen tatsächlich eine invasive Therapie benötigen. In 81 Prozent der Fälle findet sich ein geringer Ausprägungsgrad. Trotzdem sollte jede Verfärbung vorgestellt werden. Fluoride helfen, den Zahnschmelz widerstandsfähiger zu machen. Durch die raue Oberfläche sind Kreidezähne deutlich empfindlicher. Speisereste bleiben eher haften, die Reinigung der Zähne ist erschwert. Daraus ergibt sich ein erhöhtes Kariesrisiko, welchem man aber mit guter Mundhygiene und ausreichender Fluoridierung sehr gut entgegensteuern kann. Eine Fissurenversiegelung trägt ebenso zum Schutz vor Entstehung einer Karies bei und reduziert Überempfindlichkeiten der Zähne. Durch den defekten Zahnschmelz sind die Zähne häufig berührungs- und temperaturempfindlich.
Abhängig von der Größe und der Anzahl der betroffenen Flächen des Zahnes kann bei stärkerem Ausprägungsgrad eine Füllung oder eine Krone für den jeweiligen Zahn die beste Therapie sein. Kommt es tatsächlich dazu, dass ein betroffener Sechs-Jahr-Molar nicht erhaltungswürdig ist, so kann man die entstehende Lücke kieferorthopädisch sehr gut schliessen. Das Ziehen eines von MIH betroffenen Zahnes ist glücklicherweise nur in 0,4 Prozent der Fälle notwendig. Wichtig ist eine interdisziplinäre Behandlung, Zahnarzt und Kieferorthopäde sollten also Hand in Hand arbeiten.
Abschließend ist festzuhalten, dass eine Molaren-Incisiven-Hypomineralisation im Frontzahnbereich zu ästhetischen, im Seitenzahnbereich zu funktionellen Einschränkungen führen kann, welche aber sehr gut behandelt werden können. Jede Veränderung des Zahnschmelzes sollte vorgestellt werden. Da die Kinder heutzutage aber ohnehin alle drei bis sechs Monate zum Zahnarzt gehen, wird dies im Zweifel bei einer Vorsorgeuntersuchung festgestellt. Sollten Sie weitere Fragen zu diesem Thema haben, stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.
Autorin: Dr. Sarah Lenz, Fachzahnärztin für Kieferorthopädie,
Gemeinschaftspraxis für Kieferorthopädie Dr. Lenz & Dr. Lenz, verheiratet, 2 Kinder.