Sehschwäche und Medienkonsum
Alle Eltern kennen das Problem: Immer wieder gibt es Streit zu Hause über den Umgang mit den modernen Medien. Und oft sind die Eltern ratlos und suchen nach Richtlinien. Ab welchem Alter und wie lange am Tag darf ein Kind sich mit Handy oder Tablet beschäftigen? Ist es denn wirklich schädlich und nicht eher fördernd für das Wissen und die Entwicklung meines Kindes?
Wir wissen, dass sich durch erhöhten Medienkonsum bei Kindern orthopädische Probleme, Übergewicht durch zu wenig Bewegung und Konzentrationsschwierigkeiten häufen. Als Augenärztin möchte ich aber den Schwerpunkt darauf richten, inwieweit die kindlichen Augen in ihrer Entwicklung beeinflusst werden.
Unsere Kinder wachsen jeden Tag. Und dies tun auch die kindlichen Augen. Wenn ein Kind nun sehr viel mit Dingen in der Nähe beschäftigt ist und das Auge dafür scharf stellen muss („akkomodieren“), stellt dies einen Wachstumsreiz für das Auge dar. Der Augapfel wird länger und das Auge wird dadurch kurzsichtiger. Dieser Prozess ist nicht reversibel, d.h. das Auge kann nicht wieder kürzer werden. Wer einmal kurzsichtig ist, bleibt es sein Leben lang.
In Deutschland ist etwa ein Drittel der Bevölkerung kurzsichtig und die Zahlen steigen.
In den asiatischen Ländern hat die Zahl der kurzsichtigen Menschen rasant zugenommen. Dort gehen die Kinder schon vor dem 6. Lebensjahr und insbesondere nahezu den ganzen Tag in die Schule. Aktuell sind etwa 95% der jungen Erwachsenen in Asien kurzsichtig!! Studien haben einen klaren Zusammenhang zwischen intensiver, früher Naharbeit in der Kindheit gezeigt und zusätzlich sehr viel weniger Zeit, die im Freien verbracht wird.
Wenn Kinder im Freien spielen, bewegen sie sich, das Auge kann beim Blick in die Ferne entspannen und ein ganz entscheidender zusätzlicher Faktor kommt dazu: das Tageslicht! Die Beleuchtung in Wohnräumen beträgt etwa 200 Lux, im Freien aber selbst an trüben Tagen 2000-3000 Lux und an sonnigen Tagen sogar 20.000 – 30.000 Lux.
Warum ist die Kurzsichtigkeit ein Problem?
Kurzsichtigkeit bedeutet, dass in die Ferne nicht scharf gesehen wird, sondern nur in die Nähe. Damit in die Ferne scharf gesehen werden kann, muss eine Brille oder eine Kontaktlinse getragen werden. Aber auch das Risiko für Folgeerkrankungen wie grüner Star, Netzhautablösung oder Schädigung der Makula (Stelle des schärfsten Sehens) ist erhöht. Je früher die Kurzsichtigkeit im Leben auftritt, desto stärker ist ihr Ausmaß.
Natürlich gibt es auch genetische Faktoren, die einen Einfluss haben. Kinder mit kurzsichtigen Eltern/Großeltern werden auch selbst häufiger kurzsichtig. Auf diese Faktoren können wir keinen Einfluss nehmen. Tatsächlich scheint dies aber eine geringere Rolle zu spielen als die Lebensgewohnheit der Kinder.
Zusätzlich klagen Kinder bei längerem Medienkonsum über gereizte, müde und trockene Augen. Der Blinzelreflex beim Starren auf den Bildschirm ist reduziert, der Tränenfilm trocknet aus. Besonders achtsam sollten wir sein bei Medienkonsum am Abend. Das Blaulicht des Handys hemmt die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin, wodurch die Kinder Einschlafprobleme haben können.
Aus augenärztlicher Sicht können klare Empfehlungen gegeben werden:
- Kinder unter 3 Jahren sollten möglichst PC, Smartphone, Tablet nicht nutzen!
- Vier- bis Sechs-Jährige Nutzungszeit < 30 Minuten/Tag
- Grundschulalter < 60 Minuten/Tag
- Ab 10 Jahre < 2 Stunden/Tag
- 1-2 Stunden vor dem Schlafengehen keine Nutzung der Medien!!
- „Ab ins Freie!!“ 2 Stunden täglich an der frischen Luft bei Tageslicht!!
Die Corona Pandemie mit wochenlangem Homeschooling und Stunden vor dem Bildschirm zu Hause torpediert diese Empfehlungen für die Schulkinder und stellt in jeglicher Hinsicht eine Herausforderung für die Familien dar. Aber das Wissen über die Einflüsse der modernen Medien auf das kindliche Auge sollte uns helfen, dem Kind einen guten Ausgleich für die Bildschirm-Schulstunden zu bieten. Nicht ein Computerspiel oder ein Film, sondern ab nach draußen mit dem Fußball oder dem Fahrrad!! Bewegung im Freien im Tageslicht ist eine einfache, hocheffektive Maßnahme zum Schutz der Augen unserer Kinder!
Autorin: Dr. med. Greda Picht