Masernimpfpflicht – Fluch oder Segen

In der Medizin gilt ein sinnvoller Spruch: „Vorbeugen ist besser als Heilen“, der jetzt mit der Einführung der Masern-Impfpflicht per Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn vorgegeben wurde und im Bundestag mehrheitlich Zustimmung fand.

Jährlich erkranken in Deutschland noch immer mehrere hundert Kinder an Masern. Die Inzidenz liegt bei über 200 Erkrankten in Nordrhein-Westphalen, bis 1 Kind je 1 Millionen Einwohner in Thüringen. Diese große Schwankungsbreite erklärt sich aus der differenten Impfquote. 

Leider kann die Masernerkrankung mit schwerliegenden Komplikationen verlaufen. Die Infektion durch Masernviren erfolgt durch das Einatmen von Tröpfchen und Kontakt mit Sekreten aus dem Nasen- und Rachenraum. Die Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs dieser Kinderkrankheit liegt bei Ungeschützen bei über 95 %. Die Inkubationszeit beträgt meist 14 Tage (7-21), die Ansteckungsfähigkeit besteht jedoch schon 3-5 Tage vor dem Auftreten des stammbetonten, lividen, mittelfleckigen Exanthems. Fieber, Bindehautentzündung, Husten und ein weißliches Enanthem im Mundraum (Koplik-Flecken) sowie ein Ausschlag im Gesicht und hinter den Ohren kennzeichnen den Symptombeginn. Die Ansteckungsfähigkeit endet 4 Tage nach Auftreten des Exanthems. Die Erkrankung hinterlässt eine lebenslange Immunität.

Komplikationen entstehen durch die vergesellschafte Immunschwäche, die sich in begleitender Lungenentzündung, Mittelohrbeteidigung und Durchfällen zeigt. Gefürchtet sind zwei sehr schwer verlaufende Komplikationen des Gehirns: 

Die postinfektiöse Encephalitis mit einer Erkrankungshäufigkeit von 0,1 % der Fälle. Die Entzündung des Gehirns löst Bewusstseinsstörungen und bei einem Drittel Dauerschäden aus. 

Die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) tritt nach vielen Jahren (6-8) mit neurologischen Störungen auf, der Verlauf endet stets tödlich.

Die einzig wirksame Prävention stellt die Schutzimpfung mit einem Lebendimpfstoff mit abgeschwächten Masernviren (in Kombination mit Röteln, Mumps und ggf. Windpocken) dar. Der Impfschutz ist nach 2-3 Wochen gegeben. Eine zweimalige Impfung (11.-14. Monat + 2. Impfung mindestens 4 Wochen später) verspricht einen Impfschutz um 95%. Die Zweitimpfung erfolgt für die Kinder, um den Nonresponsern (Nichtreagierer) einen Impfschutz zu ermöglichen. Nach der Schutzimpfung entwickeln die Kinder nach 7-10 Tagen gelegentlich Fieber und/oder ein Exanthem. Die Symptomatik gilt nicht als ansteckend. 

Seit 1984 sollen Masern durch Impfprogramme laut WHO ausgerottet werden. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn mindestens 95 % der Bevölkerung über eine hinreichende Immunität gegen Masern verfügen. Um auch in Deutschland diese Quote zu belegen, beschloss der Bundestag am 20.12.2019, dass alle Kinder ab dem 1. Geburtstag, beim Eintritt in den Kindergarten oder die Schule, Masernimpfungen vorweisen müssen. Ebenso gilt diese Richtlinie für Erzieher, Lehrer und Medizinisches Personal. Der Nachweis kann durch den Impfpass oder ein ärztliches Attest erbracht werden. Kinder, die bereits Gemeinschaftseinrichtungen besuchen, müssen den Nachweis bis zum 31.07.2021 erbringen. 

Eltern, die ihren Kindern die Impfung verwehren, werden im Rahmen einer Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von 2.500,00 Euro belegt. Ungeimpftes Personal sowie ungeschützte Kinder müssen sonst den Einrichtungen fernbleiben. Hier sollte eine umfassende Aufklärung über die Schwere der Erkrankung und Komplikationen dafür sorgen, dass Einsicht die Strafe verbannt, mit gleichbleibender Offenheit für mündige Eltern. Jeder der über 12.000 Masernfälle in Europa im Jahr 2019 war einer zu viel. 

Autorin:
Dr. Susanne Ludwig,
Kinderarztpraxis am Kaufhof, zusammen mit Prof. Dr. Johannes Otte und Dr. Sebastian Fornaschon
Am Kaufhof 2, Lübeck
www.kinderarztpraxis-luebeck.de

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