Was geschieht in der Pubertät wirklich?

Dies ist der 5. Teil der 6-teiligen Serie über die wahren Hintergründe unserer Probleme in unseren Familien und in der Gesellschaft. In dieser Ausgabe geht es um die Pubertät.

Das Wort „Pubertät“ löst bei manchen Eltern bereits pure Angst aus, besonders bei denen, die ihre eigene Jugend mit den Eltern als sehr stressig empfunden haben. Sie dient auch gerne als Ausrede oder Vorwand für Kinder und Eltern, damit sie eine Erklärung für Konflikte und Probleme haben. Wenn man aber mal die Pubertät als Ausrede nicht gelten lässt, sondern sich auf die Suche nach den wichtigen Prozessen für Eltern und Kinder macht, findet man eine Vielzahl von Missverständnissen.

Eigentlich sind es die Eltern, die sich in der Pubertät befinden

In meinen Vorträgen sage ich oft, dass für mich eigentlich die Eltern in der Pubertät sind und frage die Gäste, was sie glauben, wer bedürftiger ist, die Eltern oder die Kinder. Die Antwort war immer die gleiche: „Wir glauben, die Eltern.“ Das fand ich immer sehr spannend, denn offenbar reflektieren sie sich doch viel mehr, als ich dachte.

Der Abnabelungsprozess

Kinder studieren bis sie 14 Jahre alt sind die Eltern – Mutter und Vater. Danach möchten sie sich selbst als Individuum erfahren und brauchen den Abstand. Sie brauchen das Gefühl, dass sie einen eigenen Raum bekommen, in dem sie eigene Erfahrungen machen können. Die Kunst liegt darin, Kindern diesen Raum zur Verfügung zu stellen und trotzdem einen gewissen Halt zu geben, wenn sie gebraucht werden, damit das Band nicht abreißt. Die Kinder einfach kommen lassen, wenn sie Bedarf haben und sich dann Zeit nehmen und die eigenen Ängste und Erfahrungen dann nicht auf das Kind übertragen, sondern objektiv zuhören und wohlwollend und klar dem Kind begegnen.

Eltern müssen lernen, ihre eigene Bedürftigkeit zurückzustellen

Die Eltern müssen in dieser Zeit lernen, ihre eigene Bedürftigkeit nach Halt, Anerkennung und Liebe zurückzustellen, da die Kinder das nicht mehr möchten. Sie erkennen auch, je älter sie werden, die Bedürftigkeit der Eltern und bedienen diese „Spiele“ nicht mehr. Dann fühlen sich Mutter und Vater oft sehr verletzt, da die Kinder sich plötzlich nicht mehr Knuddeln lassen und auch in Gesprächen kontern und Spiegel für die Angst der Eltern sind. In dem Moment übernehmen dann die Kinder die Rolle der Erwachsenen und die Eltern die der beleidigten Kinder.

Niemand muss perfekt sein

Kinder lieben ihre Eltern bedingungslos und wollen, dass sie ihnen ehrlich und klar begegnen und ihnen nichts schön reden oder vormachen, um sie zu schützen. Solange die Eltern nicht in der Angst oder in der Wut über ihre Probleme sprechen, empfinden die Kinder das sogar als Stärke der Eltern, weil sie fühlen, dass sie eigenverantwortlich mit Herausforderungen umgehen. Wenn die Eltern auch über ihre eigenen Erfahrungen in dieser Zeit sprechen, z.B. über eigene Probleme mit ihren Eltern oder in der Schule oder den ersten festen Freunden, dann haben die Kinder nicht das Gefühl, sie müssen perfekt und lieb sein, sondern bekommen ein Gefühl von Vertrauen zu den Eltern, weil sie auch nicht perfekt waren. Wir sollten nicht versuchen, aus unseren Kindern das zu machen, was unsere Eltern sich von uns gewünscht hätten, denn das hat nichts mit Liebe zu tun, sondern viel mit Kontrolle und Ängsten.

Kinder wollen Erfahrungen machen und sich entfalten

Besonders in der Kindheit will der Geist nicht eingesperrt werden, sondern wir wollen Erfahrungen machen und uns entfalten. Wir wollen die Kinder immer vor Schmerz beschützen, aber nehmen ihnen damit auch oft die Freude an der Lebendigkeit und dem Vertrauen ins Leben. Wir lernen am meisten aus eigenen Erfahrungen und nicht von Verboten. Je mehr Eltern verbieten, desto mehr Ablehnung empfinden die Kinder ihnen gegenüber.

Kindern sollten lernen, auf ihr Bauchgefühl zu hören

Vielmehr ist es wichtig den Kindern beizubringen, auf ihr Bauchgefühl zu hören und bei sich zu bleiben und Ruhe und Vertrauen in sich selbst zu entwickeln. Das passiert automatisch, indem wir es vorleben. Sind die Eltern im Vertrauen und leben authentisch und klar, dann werden die Kinder in diesem Umfeld groß und können es nachmachen. Bei Herausforderungen ruhig und positiv bleiben und danach streben, dem Leben einen individuellen Sinn zu geben, der einen erfüllt, das ist eine wichtige Basis, die vielen jungen Leuten in dieser Zeit fehlt.

Eltern müssen bereit sein, in den Spiegel zu gucken

Wenn wir als Eltern beunruhigt sind, dass ein Kind die falschen Freunde hat oder zu viele Rauschmittel zu sich nimmt, dann sollten sie ihrem Kind klar begegnen und die eigenen Bedenken ruhig mitteilen und fragen, ob es etwas im Leben vermisst oder braucht. Wenn Kinder „abdriften“ von normalen in extreme Probleme und Persönlichkeitsveränderungen, ist es oft ein Zeichen, dass sie etwas brauchen. Die Eltern müssten dann aber auch bereit sein, in den Spiegel zu gucken und den Fehler auch bei sich selbst erkennen und sich den eigenen Themen stellen. Dazu bieten meine Kollegin Ilka Schneider und ich z.B. die „Offenen Lerngruppen“ oder auch Einzelgespräche für Eltern und Kinder in den Bunten Räumen Lübeck an. Hier haben alle die Möglichkeit, individuell an ihren Themen eigenverantwortlich zu arbeiten. Dadurch lernen Eltern, ihren Kindern mehr Kraft und Klarheit entgegenzubringen und Kinder in die Eigenverantwortung zu gehen.

Freude und Ausgleich statt Druck

Der dritte Artikel in dieser Serie über die Auswirkungen des Schulsystems auf die Kinder hat beschrieben, was mit den Kindern in der Schulzeit passiert. Die Eltern haben die wichtige Aufgabe, den Kindern statt Druck wieder Freude und Ausgleich zu geben, da sie ansonsten seelisch und oft auch körperlich krank werden.

Raum für Sexualität schaffen

Die meisten erinnern sich vielleicht noch, wie sie selbst während der ersten sexuellen Erfahrungen von der Angst begleitet waren, dass Eltern reinkommen oder die Geschwister nerven. Eltern wollen oft nicht daran denken, dass ihre Kinder auch eine eigene Sexualität entwickeln wollen und diese Bedürfnisse ganz natürlich sind. Sie empfinden es als unangenehm und wollen nicht, dass ihre Kinder „so etwas“ machen. Sie wollen, dass sie klein und unschuldig bleiben. Das spüren Kinder und entwickeln unbewusst eine Scham, weil sie die Eltern nicht enttäuschen möchten. Geben wir unseren Kindern mit Achtsamkeit und Selbstverständlichkeit Raum, um die eigene Sexualität kennenzulernen und als etwas schönes und wertvolles zu erfahren, dann können auch viele Krankheiten, die im Bereich Fortpflanzungsorgan liegen, verhindert werden.

Eltern selbst haben durch die Kinder noch einmal die Möglichkeit, jung zu bleiben

Kinder wollen Spaß haben, sich ausprobieren und mal abhängen und unwichtige Dinge tun. Wenn Eltern genau davon zu wenig in ihrem Leben haben und nur gestresst und überfordert sind, dann kann es dazu führen, dass sie neidisch auf das Leben ihrer Kinder werden und ihnen vorhalten, zu faul zu sein, das Leben nicht ernst genug zu nehmen, etc….Vielleicht können wir aber auch von unseren Kindern lernen, einfach mal das Leben nicht zu ernst zu nehmen, sondern mal die Kontrolle loszulassen und sich eine Auszeit zu gönnen, sich einen Job zu suchen, der einen erfüllt und einfach auch mal nein zu sagen, wenn man keinen „Bock“ hat.

Vortrag „Ein Blick hinter die Kulissen der Pubertät“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine schöne Zeit und wenn Sie Interesse haben, lade ich Sie herzlich ein zu unserem nächsten Vortrag „Ein Blick hinter die Kulissen der Pubertät“ am 1. Oktober, von 19 bis 20:30 Uhr, in den Bunten Räumen Lübeck (Anmeldung und Infos unter: www.pamelabessel.de).  Pamela Bessel

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