Demenz kann auch Kinder treffen

Was nur wenige wissen, Demenz gibt es nicht nur bei älteren Menschen, nein auch Kinder können schon an daran erkranken

Nur die wenigsten Menschen wissen, dass es Kinderdemenz überhaupt gibt. Die Mehrzahl assoziiert Demenz mit älteren Leuten. Jedoch können auch Kinder hiervon betroffen sein. Die häufigste Form von Kinderdemenz stellen die Neuronalen Ceroid Lipofuszinosen (NCL) dar. Diese zu den lysosomalen Speicherkrankheiten zählenden Erbkrankheiten wurden 1826 erstmals von dem Norwegischen Kinderarzt Otto Christian Stengel beschrieben. Mittlerweile kennt man über 13 verschiedene Formen, die in der Regel autosomal-rezessiv vererbt werden. D.h. beide Eltern sind zwar Träger der Krankheit, jedoch kommt es bei ihnen nicht zum Ausbruch. Daher wissen sie gar nicht, dass sie die Veranlagung hierfür in sich tragen. Bei dieser Form der Vererbung besteht ein 25prozentiges Risiko, dass das Kind NCL haben wird.

Die Krankheitsursache ist ein Fehler (eine Mutation) in einem NCL-Gen. Ein Gen muss man sich wie eine Bauanleitung für ein Protein (Eiweiß) vorstellen. Im Zellkern befindet sich die Erbinformation, die DNA, die mind. 30.000 solcher Bauanleitungen besitzt. Aufgrund einer Mutation im NCL-Gen fehlen in der Bauanleitung wichtige Kapitel – das NCL-Protein wird nicht vollständig zusammengebaut und kann daher seine (bisher unbekannte) Funktion nicht übernehmen. Das sog. CLN3-Gen ist bei der juvenilen NCL betroffen. Es kodiert für ein Membranprotein, welches sich normalerweise im Recyclinghof der Zelle, dem Lysosom, befindet. Aufgrund des Fehlens des NCL-Proteins funktioniert der Recyclinghof nicht mehr einwandfrei – es kommt zu Ablagerungen von Zellmüll, woran v.a. Seh- und Nervenzellen zugrunde gehen. Und wie äußert sich dies beim Patienten? Bei der juvenilen NCL (CLN3) entwickeln sich die Kinder bis zum Einschulalter ganz normal. Dann tauchen plötzlich Sehprobleme auf, die rasch voranschreiten, so dass die betroffenen Kinder innerhalb von ein bis drei Jahren vollständig erblinden. Parallel findet ein geistiger Abbau statt, da Zellen des Gehirns absterben. Es setzt eine Demenz ein, die dazu führt, dass die Kinder Schwierigkeiten in der Schule haben. Sie vergessen das, was sie gerade gelernt haben. Die Krankheit schreitet weiter voran und führt zu motorischen Problemen, die die jungen Patienten bald in den Rollstuhl zwingen. Später treten noch epileptische Anfälle und Sprachschwierigkeiten auf. Als junge Erwachsene sind sie schwere Pflegefälle. Alle Patienten versterben jung.

Die Symptomkombination von Erblindung, Demenz, Epilepsie und motorischer Probleme gibt dem Kinderarzt einen deutlichen Hinweis, dass es sich um die Kinderdemenz NCL handeln könnte. Da man den Großteil der betroffenen Gene bereits kennt, kann die Krankheit über einen Gentest diagnostiziert werden. Bereits in der frühen Phase der Krankheit, wo „nur“ die Netzhaut betroffen ist, können die Augenärzte Verdacht schöpfen. Häufig wird NCL zu diesem Zeitpunkt mit anderen Augenerkrankungen verwechselt, wie z.B. Retinitis pigmentosa oder Morbus Stargardt. Der Augenhintergrund, ein elektronegatives Elektroretinogramm und Auffälligkeiten in der Optischen Kohärenztomographie können auf NCL hinweisen. Die NCL-Stiftung bietet für interessierte Augenärzte und Augenkliniken entsprechende Fortbildungen an. Gerne kann bei der Stiftung auch kostenlos Infomaterial angefordert werden.

Wichtig ist es, dass Ärzte auf die Bedenken der Eltern eingehen. Häufig mussten sich betroffene Eltern in der Vergangenheit anhören, dass sie sich „das Ganze nur einbilden“, dass das Kind „simuliert“ usw. Durchschnittlich mussten Familien – nach dem Auftreten der ersten Symptome – zwei bis vier Jahre von Arzt zu Arzt rennen, bis sie erfuhren, was ihr Kind wirklich hat. Gerade bei einem weiteren Kinderwunsch ist es jedoch wichtig zu wissen, dass es sich um NCL handelt, da diese Erbkrankheit auch kommende Kinder treffen kann. Bislang kommen jedes Jahr ca. 20 neue Fälle in Deutschland hinzu. Aktuell kann nur die sog. CLN2-Form mit einer neuartigen Enzymersatz-Therapie behandelt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Krankheit mit diesem Ansatz bestenfalls gestoppt bzw. in ihrem Verlauf stark verlangsamt wird. Bei den anderen NCL-Formen werden größtenteils palliative Maßnahmen vorgenommen. Aktuell wird vermehrt an gentherapeutischen Ansätzen geforscht. Hier wäre die Hoffnung, dass der Patient nur einmal behandelt werden muss. Es werden „entwaffnete“ Viren als Genfähren genutzt, um den Zellen das intakte NCL-Gen (eine komplette Bauanleitung) zuzuführen. Die ersten klinischen Studien stehen hier in den Startlöchern.

Obwohl es sich bei NCL um eine seltene Krankheit handelt, gibt es klare Überschneidungen zu häufig vorkommenden Erkrankungen. Somit könnten von der NCL-Forschung nicht nur die NCL-Kinder, sondern auch noch viele andere Menschen profitieren.

Autor: Dr. Frank Stehr, Vorstand der NCL Stiftung

Unter diesem Motto setzt sich seit 2002 die von Dr. Frank Husemann gegründete NCL-Stiftung für die Bekämpfung von NCL ein. Hierzu initiiert und fördert die Stiftung die (inter)-nationale Forschung. Als Förderinstrumente nutzt sie Doktorandenstipendien, die Finanzierung von Postdoktorandenstellen und die Vergabe eines NCL-Forschungspreises, dem höchstdotierten Preis in diesem Forschungsfeld. Mit Hilfe von gezielten Vernetzungsstrategien wird ein umfangreiches NCL-Netzwerk auf- und weiter ausgebaut. Der jährliche NCL-Kongress sowie ein internationales Nachwuchswissenschaftler-Treffen helfen, neue Forscher für das Thema zu begeistern und somit die wissenschaftliche Expertise zu erweitern. Außerdem stellen diese Treffen die Basis für neue Kooperationen und innovative Forschungsideen dar.

Die Stiftung unterstützt jedoch nicht nur zukunftsorientierte Forschungsprojekte bei der Entwicklung möglicher Therapien, sondern agiert ebenfalls im direkten Umfeld der Betroffenen. Da es sich um eine seltene Krankheit handelt und die einzelnen Formen der NCL-Krankheit in ihrem Manifestationsalter und Krankheitsverlauf variieren, (er)kennen häufig Mediziner die Erkrankung nicht. Die Stiftung leistet deshalb wichtige Aufklärungsarbeit bei Ärzten, um eine Früherkennung der Krankheit zu fördern sowie Fehldiagnosen und eine jahrelange Diagnosezeit zu vermeiden. Außerdem wird die breite Öffentlichkeit, u.a. mit Unterstützung des Schirmherrn der Stiftung – Schauspieler Jan Josef Liefers – für seltene Krankheiten sensibilisiert.

Die NCL-Stiftung finanziert sich ausschließlich über Spendengelder. Daher werden kontinuierlich neue Unterstützer gesucht. Jeder kann helfen! Wenn Sie hierzu mehr erfahren wollen, nehmen Sie gerne direkt Kontakt zur Stiftung auf. Zum Beispiel hilft die Betreuung einer Spendendose oder der Verzicht auf Geburtstagsgeschenke zugunsten von Spenden für die NCL-Stiftung. Ebenso hilft es, die NCL-Stiftung als Empfänger für die Weihnachtsspende von Firmen vorzuschlagen.

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