Wie begegnen wir Kinder\u00e4ngsten?<\/strong><\/h6>\n\n\n\n

Angst ist eines der eindr\u00fccklichsten Gef\u00fchle, das wir Menschen haben. Sie ergreift unseren K\u00f6rper, unsere Seele und oft auch das soziale System, in dem wir leben. Sie hilft uns zu \u00fcben, Gefahren einzusch\u00e4tzen, vorsichtig zu handeln und wenn n\u00f6tig Schutz zu suchen, und fordert uns auf, uns weiter zu entwickeln, L\u00f6sungen zu finden, um uns an neue Gegebenheiten anzupassen.<\/p>\n\n\n\n

In der Entwicklung von Kindern spielt Angst eine gro\u00dfe Rolle, weil es immer wieder darum geht, schrittweise selbstst\u00e4ndiger und unabh\u00e4ngiger von den Eltern zu werden und neue Bew\u00e4ltigungsstrategien zu aktivieren. Der \u00dcbergang von alterstypischer \u201enormaler\u201c Angst zu einer behandlungsbed\u00fcrftigen Angstst\u00f6rung ist flie\u00dfend und hat vor allem mit ihrer Intensit\u00e4t und Dauer zu tun und damit, ob sie der Situation angemessen erscheint. Da Angst aber h\u00e4ufig eher leise daherkommt \u2013 im Gegensatz zur Wut, die eher laut ist und sich Raum verschafft –  und durch das Einhergehen mit Vermeidung nicht unmittelbar auff\u00e4llt, bleibt sie oft l\u00e4nger unbemerkt. Und bei weitem nicht jedes Kind (und jeder Erwachsene) mag sie sich eingestehen und beim Namen nennen.<\/p>\n\n\n\n

Angst ist in jedem Alter anders<\/strong><\/h6>\n\n\n\n

F\u00fcr jedes Kindesalter gibt es typische Themen, in denen sich Angst zeigt. W\u00e4hrend ein Baby vielleicht bei lauten Ger\u00e4uschen erschreckt und zu weinen beginnt, entsteht im Alter von etwa acht Monaten erwartungsgem\u00e4\u00df die Angst vor unbekannten Personen oder fremden Objekten, im Kleinkindalter vor Trennung von vertrauten Bezugspersonen und vor Verletzungen, schlie\u00dflich auch vor Tieren, vor Dunkelheit, vor phantasierten Gestalten und Monstern. Umso mehr Kinder sich f\u00fcr die Welt interessieren und daran teilhaben, desto vielschichtiger werden ihre \u00c4ngste, oft ausgel\u00f6st durch Erz\u00e4hlungen oder geteilte Erfahrungen, manchmal auch \u201enur\u201c in den Medien. In der Schulzeit k\u00f6nnen schlie\u00dflich \u00c4ngste vor Pr\u00fcfungen dazukommen, aber auch soziale \u00c4ngste, insbesondere vor Zur\u00fcckweisung durch Gleichaltrige.<\/p>\n\n\n\n

\u00c4ngste erkennen<\/strong><\/h6>\n\n\n\n

Eltern sind aufgefordert, diese \u00c4ngste zu erkennen und einerseits als \u201esicherer Hafen\u201c zur Beruhigung zur Verf\u00fcgung zu stehen und als Ort, um neue Kraft zu tanken. Andererseits ist ihre Weisheit und St\u00e4rke gefragt, um aktiv zu ermutigen und bei der Bew\u00e4ltigung von Aufgaben zu unterst\u00fctzen. Diese beiden unterschiedlichen Rollen erfordern im Laufe der Entwicklung immer wieder eine \u00dcberpr\u00fcfung. Was kann mein Kind schon? Traue ich ihm zu, die Situation zu bew\u00e4ltigen? Kann ich sie ihm heute zumuten? Wieviel Schutz beziehungsweise wieviel Herausforderung ist gerade gefragt? Manchmal bilden sich auch zwischen zwei Eltern unterschiedliche Positionen ab, die sich im Idealfall gegenseitig erg\u00e4nzen. W\u00e4hrend der eine vielleicht lieber beh\u00fctet und Trost spendet, hat der andere vielleicht Freude zu zeigen, wie attraktiv es sein kann, wenn man sich traut, noch h\u00f6her zu schaukeln oder ganz nach oben zu klettern ins Baumhaus.<\/p>\n\n\n\n

Schwierig wird es, wenn die Begleitung der Angst ausl\u00f6senden Situation zu einseitig wird, zu mitf\u00fchlend oder zu abwehrend. Weder \u201eDas schaffst Du schon – irgendwann\u201c noch \u201eStell Dich doch nicht so an!\u201c ist hilfreich. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen haben \u00e4ngstliche Eltern ein h\u00f6heres Risiko, selbst \u00e4ngstliche Kinder gro\u00df zu ziehen, allein durch ihre Vorbildfunktion, aber auch durch die Tendenz zur \u00dcberbeh\u00fctung. Und auch zu viel Druck auszu\u00fcben oder gar zu drohen, erh\u00f6ht die kindliche Anspannung, verbessert aber nicht die notwendige Bereitschaft, sich mit dem unangenehmen Gef\u00fchl auseinanderzusetzen.<\/p>\n\n\n\n

Angst als Begleiter akzeptieren<\/strong><\/h6>\n\n\n\n

Was kann also helfen, das Kind gut zu unterst\u00fctzen? Zuerst einmal gilt es, die Angst als Begleiter zu akzeptieren und nicht zu ignorieren oder \u201eweg\u201c haben zu wollen. Umso mehr ich auf die Angst fokussiere und gegen sie ank\u00e4mpfe, desto mehr Energie wird durch das Nicht-sp\u00fcren-Wollen gebunden. Daher ist es gut, wenn Eltern eigene \u00c4ngste zugeben und sich erinnern, was ihnen selbst als Kind geholfen hat.<\/p>\n\n\n\n

F\u00fcr ein Baby ist es wichtig, dass es verl\u00e4sslich Aufmerksamkeit erf\u00e4hrt und getr\u00f6stet wird, wenn es schreit und damit seine Not signalisiert. Es kann sich noch nicht selbst beruhigen und ist darauf angewiesen, dass es von au\u00dfen reguliert wird. Selbst wenn das Beruhigen nicht sofort gelingt, erlebt es in der Zuwendung durch eine Bezugsperson, dass der Stress wieder nachl\u00e4sst. Diese Erfahrung st\u00e4rkt seine Selbstwirksamkeitserwartung, also das Zutrauen, etwas tun zu k\u00f6nnen, um den eigenen Zustand zu ver\u00e4ndern.<\/p>\n\n\n\n

F\u00fcr ein Kleinkind ist es wichtig, die Erfahrung zu machen, dass es tats\u00e4chlich selbst etwas tun kann, um weniger Angst zu haben. Es kann den Lieblingsteddy zur \u00dcbernachtung bei der Oma mitnehmen oder ein Nachtlicht einschalten, um allein im Bett schlafen zu k\u00f6nnen. Vielleicht muss vor\u00fcbergehend auch das Zimmer nach Monstern oder Tierchen abgesucht werden oder ein Zubettgeh-Ritual eingef\u00fchrt werden, in dem das Kind einen aktiven Part bekommt. Oft hilft \u00dcbertreibung und Humor – manchmal braucht es aber einfach Zeit, bis das Kind selbstsicherer wird und auf viele selbstberuhigende Handlungen verzichten kann.<\/p>\n\n\n\n

Mit einem Schulkind lohnt es sich, die doofe Angst zu \u201evermessen\u201c, also auf einer Skala einzuordnen zwischen unangenehm bis vermutlich nicht aushaltbar. Wenn man mit einem mulmigen Gef\u00fchl in eine neue Situation gehen muss, kann ein imagin\u00e4rer Helfer n\u00fctzen. Das kann ein selbst bemalter Mut-Stein sein oder ein Krafttier, das man in der (Hosen-)Tasche bei sich tr\u00e4gt. Wenn die Angst so gro\u00df wird, dass sie in eine komplette Verweigerung m\u00fcndet, sind hingegen oft viele kleine Schritte und Geduld notwendig, um das Selbstvertrauen nach und nach zu st\u00e4rken. Wenn das Kind Angst vor der bevorstehenden Klassenfahrt hat, k\u00f6nnte man rechtzeitig \u00fcben, erstmal in der N\u00e4he der Eltern an einem fremden Ort zu schlafen und schlie\u00dflich immer h\u00e4ufiger bei weniger vertrauten Personen, Verwandten oder guten Freunden, zu \u00fcbernachten. Oft kann es auch helfen, eigene Ziele in Gedanken auszugestalten und sich trotz der Einengung der M\u00f6glichkeiten, die die Angst vorzut\u00e4uschen vermag, positiv vorstellt, wie man mutig handelt. Umso st\u00e4rker und eindeutiger meine Motivation ist, mit der Angst fertig zu werden, und umso plastischer ich mir eine Zukunft ohne das Problem vorzustellen vermag, desto mehr Energie kann ich mobilisieren f\u00fcr die erdachte gute Zukunft. Hilfreich ist auch, wenn Eltern neben den \u00e4ngstlichen Seiten ihres Kindes die mutigen Seiten immer wieder erw\u00e4hnen und sich in der Familie gegenseitig an Situationen erinnern, in denen es sich \u00fcberwunden hat und der Spa\u00df die anf\u00e4ngliche Sorge relativierte. <\/p>\n\n\n\n

\u00c4ngste benennen<\/strong><\/h6>\n\n\n\n

Oft f\u00e4llt es Kindern aber auch schwer, eine eigene Angst zu identifizieren und zu benennen. Gerade nach dem Erleben subjektiver Bedrohung ben\u00f6tigen sie Signale, dass ihr Gegen\u00fcber bereit ist, das Erlebte mit ihnen anzuschauen. So k\u00f6nnen Albtr\u00e4ume gemalt werden, um sie besprechbar zu machen. Bilder und Spielsequenzen k\u00f6nnen ein Versuch sein, die eigenen Erfahrungen in Kontakt zu bringen, zu sortieren, besser zu verstehen und schlie\u00dflich zu verarbeiten.<\/p>\n\n\n\n

Noch mehr als Kinder w\u00fcnschen Jugendliche sich, in ihren Sorgen ernst genommen zu werden. Wenn sie sich um Krankheit und Tod, Krieg oder Umweltkrisen Gedanken machen, kann es eine entscheidende Erfahrung sein, nicht allein damit zu stehen. Daf\u00fcr braucht es Zeit und Gelegenheit, miteinander ins Gespr\u00e4ch zu gehen. Denn im Gef\u00fchl der Verbundenheit mit anderen finden wir vielleicht am ehesten den Mut, die Unsicherheit einer ungewissen Zukunft zu ertragen, im Wissen, mit anderen gemeinsam nach L\u00f6sungen suchen zu k\u00f6nnen.<\/p>\n\n\n\n

Wachsendes Zutrauen in die eigenen F\u00e4higkeiten hilft<\/strong><\/h6>\n\n\n\n

Die ideale kindliche Entwicklungslinie zeichnet sich also weniger durch die Abwesenheit von Angst aus als durch eine gelungene Bew\u00e4ltigung angstmachender Situationen. Mit dem wachsenden Zutrauen in die eigenen F\u00e4higkeiten wird es leichter, sich in Tapferkeit zu \u00fcben. Und gleichzeitig profitieren Kinder und Jugendliche von erwachsenen Bezugspersonen, die authentisch sind, selbst keine Angst vor der Angst haben und bereit sind Orientierung zu geben.<\/p>\n\n\n\n

Autorin:<\/em>
Dr. med. Roxane Burdon,
Fach\u00e4rztin f\u00fcr Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und Ober\u00e4rztin in der Tagesklinik f\u00fcr Junges Leben der Vorwerker Diakonie
in L\u00fcbeck.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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